In der nächsten Woche werde ich 36. Mein Mann nennt mich charmant mittelalt und viele meiner Freundinnen sagen, älter als 28 werden sie nicht. Wie jedes Jahr schaue ich ein bisschen zurück und viel nach vorne. Wie geht es mir jetzt? Wie fühlt sich 36 an?
Ich liebe Geburtstage. Ich brauche keine in Alkohol versinkende Party, aber in meiner Studentenzeit habe ich die Geburtstagswoche und den Geburtstagsmonat für mich eingeführt. Das bedeutet: Einen Monat bewusst viele schöne Sachen machen – alleine und mit den mir wichtigen Menschen. Und eine Woche lang besonders schöne Sachen machen. An meinem Geburtstag frühstücke ich gerne schön und freue mich später – je nach Wochentag - über Besuch. Es gibt Bowle, Snacks, Sekt und immer, immer Erdbeerkuchen.
Meine Ansprüche an mich waren viel zu hoch
Seit drei Jahren lade ich wieder zu meinem Geburtstag ein. Die Jahre dazwischen hatte ich das Gefühl, keinen wirklichen Grund zum Feiern zu haben. Ich hatte beruflich nicht genug geschafft. Die einzigen Neuigkeiten, die ich regelmäßig hatte, betrafen Schwangerschaften und Babys. Um Missverständnissen vorzubeugen: Jedes meiner Kinder ist gewünscht, gewollt und sehr geliebt! Um sie herum hätte ich mir aber mehr eigenes Leben gewünscht. Ich wollte kreativ arbeiten und morgens mit Vorfreude auf den Alltag aufstehen.
Schaut man hinter die Fassaden, kämpft jeder Mensch mit sich
Meine Freundinnen aus der Schulzeit sind alle bis dahin kinderlos. Unsere Biografien ab dem Abschluss sind sehr unterschiedlich - das hat mich lange verunsichert. Ich habe keine schicken Urlaube gemacht; tatsächlich war ich noch kaum irgendwo. Unsere Wohnung war lange praktisch gelegen, aber nicht schön. Vor der Tür unseres Hauses wartet bis heute kein fahrbereites Auto. Meine Entscheidung für vier Kinder hat mich beruflich zurückgehalten. Ich bin gebunden an die Betreuungszeiten und Gesundheit meiner Kinder. Ich arbeite in Zeitfenstern und wenig selbstbestimmt. Das war und ist für mein Selbstverständnis und mein Ego oft schwer.
Vor gut zwei Jahren habe ich mit einer Freundin gesprochen, die beruflich nur so durch das Leben geflogen ist. Sie beklagte, dass es sie traurig macht, wenn sie ihre Freunde in ihren Häusern, mit ihren Partnern und den Kindern besucht. Und dass sie das Gefühl hätte, etwas zu verpassen und zu versagen. Unser Umgang miteinander ist seit diesem ehrlichen Gespräch viel leichter geworden. Jede von uns bestätigt die andere in ihren Lebensentscheidungen, die Erfolge und schönen Ereignisse werden gefeiert und die Misserfolge betrauert. Neid ist ebenso überflüssig und giftig wie Häme. Schaut man hinter die Fassaden, kämpft jeder Mensch mit sich. Egal wie erfolgreich, kuschelig oder idyllisch es von außen wirkt.
Kleine Eitelkeiten mit Augenzwinken nehmen
Wenn Freundinnen zum 10. Mal ihren 28. Geburtstag feiern, möchte ich nur rufen: Hey, wer will denn wirklich immer 28 sein? Oder der fürchterliche Spruch: „Eine Dame fragt man nicht nach ihrem Alter (oder nach ihren Erfahrungen mit Männern).“ Warum denn? Weil wir alterslose Jungfrauen sein müssen? Bitte nicht. Ja, die ersten grauen Haare irritieren mich auch (So sehr, dass ich vermehrt färbe und tatsächlich diese borstigen weißen Dinger mit der Pinzette entferne). Ich wünsche mir auch keine herabhängenden Mundwinkel oder tiefe Furchen auf der Stirn. Die freundlichen Lachfalten um die Augen mag ich sowohl bei mir als auch bei den anderen umso lieber. Die Gespräche sind jetzt interessanter als mit 28, weil bei vielen Menschen weniger Ego und mehr Ehrlichkeit da ist. Kleine Eitelkeiten werden eher mit einem Augenzwinkern genommen. Das empfinde ich als einen großen Gewinn.
